BayVGH, Urt. v. 28.1.2008 – 8 A 04.40023 – [Tierkollisionen]

Im oben genannten Urteil äußerte sich der Bayerische Verwaltungsgerichtshof umfassend zum Tötungsverbot des § 42 I Nr. 1 BNatSchG. In der Sache ging es um den Planfeststellungbeschluss der Regierung Oberpfalz für den Bau der Ortsumgehung P. der B 299. Zur Begründung der Klage führten die Kläger u.a. an, der Bau der Straße bewirke verbotswidrig die für besonders und streng geschützte Arten tödliche Kollision mit Kfz.

Obwohl die artenschutzrechtlichen Verbote nach nationalem Recht kein subjektives Tatbestandsmerkmal aufweisen, liest der Gerichtshof das Erfordernis der Absichtlichkeit des Art. 12 I lit. a FFH-RL, Art. 5 lit. a VRL ohne Not in § 42 I Nr. 1 BNatSchG hinein. Folglich seien – insoweit zutreffend – nur solche Tötungen tatbestandsmäßig, über deren höchstwahrscheinlichen Eintritt sich der Träger der Straßenbaulast bewusst ist (Rdnr. 63). Der Auffassung von Sobotta, NuR 2007, 642, 648 folgend nimmt der Gerichtshof des Weiteren zwei verschiedene Absichtsbegriffe an: Hinsichtlich der FFH-Richtlinie meine “absichtlich” Eventualvorsatz, hinsichtlich der Vogelschutzrichtlinie könne “absichtlich” jedoch nur ein gezieltes Töten bezeichnen (Rdnr. 64).

Damit reiht sich die Entscheidung ein in die Schadensbegrenzungsversuche in Bezug auf das Dilemma der völlig undurchdachten, dringend änderungsbedürftigen Vogelschutzrichtlinie. Freilich sollten im Interesse der Rechtssicherheit gleich lautende Begriffe auch gleich ausgelegt werden, doch lassen sich die vom Bayrischen Verwaltungsgerichtshof angeführten Gründe für divergierende Absichtsbegriffe hören: Im Gegensatz zur FFH-Richtlinie verfolgt die Vogelschutzrichtlinie nur ein allgemeines, kein strenges Schutzsystem, die Vogelschutzrichtlinie schützt jede Allerweltsart, Art. 5 lit. a VRL verbietet die Tötung von Vögeln “ungeachtet der angewandten Methode”, was nur Sinn mache, wenn ausschließlich zielgerichtetes Vorgehen verboten wäre (vgl. Rdnr. 62 ff.).

Schade ist, dass es der Fantasie des Lesers überlassen bleibt, wie der Verwaltungsgerichtshof dieses Ergebnis der Auslegung europäischen Rechts in das nationale Recht transformiert. Das Urteil verhielt sich noch zum alten Recht. Möglicherweise kümmerte sich der Gerichtshof deshalb nur um die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben, weil rein nationalrechtlich das Vorhaben artenschutzrechtlich gemäß § 43 IV BNatSchG a. F. ehedem zulässig gewesen ist und § 43 IV BNatSchG a. F. wegen des Geltungsvorrangs des Gemeinschaftsrecht nur unanwendbar war, soweit die artenschutzrechtlichen Verbote der FFH- und Vogelschutzrichtlinie reichen. Ein Ansatz, der auch nach aktuellem Recht Schule machen könnte, ist doch auch dem geltenden Recht die Gemeinschaftsrechtswidrigkeit geradezu auf die Stirn geschrieben (hierzu Gellermann, NuR 2007, 783 ff.; Möckel, ZUR 2008, 57 ff.; Lau/Steeck, NuR 2008, 386 ff.).

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