BVerwG, Beschluss v. 13.03.2008 – 9 VR 9/07 und 9 VR 10/07 – [Jagdbergtunnel]

Die Entscheidung betraf den Planfeststellungsbeschluss (Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage betroffener Eigentümer) zur neuen Alternativtrasse der BAB A4 zwischen Jena/Göschwitz und Magdala, deren “Kernstück” der 3,1 km lange Jagdbergtunnel ist. Die alte Trasse, welche durch das FFH-Gebiet Nr. 129 und Europäische Vogelschutzgebiet Nr. 33 verläuft, sollte – gleichsam kompensatorisch – zurückgebaut werden. Die Tunnelportale der Neubautrasse berühren diese Schutzgebiete dagegen “nur”. Problematisch war insoweit aber, dass sich unmittelbar an den Tunnelportalen – hier ist im Vergleich zur freien Strecke mit besonders hohen NOx-Konzentrationen zu rechnen – die empfindlichen Lebensraumtypen nach Anhang I der FFH-Richtlinie “Kalk-Trockenrasen” und – sogar prioritärer Lebensraumtyp – “Kalk-Trockenrasen mit bemerkenswerten Orchideen” befinden.

Darüber hinaus stand neben einigen artenschutzrechtlichen Fragen insbesondere die Betroffenheit eines angeblichen faktischen Vogelschutzgebietes in Streit. Dieses entsprach laut nachträglicher Untersuchung den Auswahlkriterien des maßgeblichen Auswahlkonzepts Thüringens. Zum Zeitpunkt der Planfeststellung waren die entsprechenden Bestandsdaten aufgrund – bewusst (?) – fehlender näherer Untersuchung jedoch noch nicht verfügbar, so dass von keinem faktischen Vogelschutzgebiet ausgegangen wurde.

Der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts ist in dieser neueren Entscheidung zum europäischen Naturschutzrecht – sich um Geräuschlosigkeit bemühend – in entscheidenden Punkten von seiner “Westumfahrung Halle”-Entscheidung (BVerwG, Urt. v. 17.1.2007 – 9 A 20.05) wieder abgerückt. War dort noch zu lesen, dass grundsätzlich jede Beeinträchtigung von Erhaltungszielen des betroffenen Gebietes eine erhebliche Beeinträchtigung darstellt (UA, dort Rdnr. 41), so verneint der Senat nunmehr das Vorliegen einer erheblichen Beeinträchtigung trotz negativen Berührtseins von Lebensraumtypen nach Anhang I FFH-RL aufgrund des Ausgleichs der Belastung durch eine Entlastung anderer (!) Lebensraumtypen. Auch akzeptierte das Gericht entgegen der “drohenden Worte” in “Westumfahrung Halle” ein völlig unspezifiziertes Monitoringkonzept. Interessant sind schließlich die Ausführungen zum (angeblichen) faktischen Vogelschutzgebiet sowie zu den artenschutzrechtlichen Verboten (harte Darlegungsanforderungen für die Kläger).

Weitere Informationen:

Entscheidungsbesprechungen:

Fundstellen (Leitsätze und Gründe):

  • NuR 2008, S. 495 ff.
  • ZUR 2008, S. 378 ff.

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