BVerwG, Beschluss v. 17.4.2010 – 9 B 5.10 – [B 31 Immenstaad/Friedrichshafen]

Mit Beschluss vom 17.4.2010 wies das BVerwG die Revisionsnichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 7.8.2009 zurück. Bedeutsam ist die Entscheidung mit Blick auf die bis dato bestehende Rechtsunsicherheit zum Erfordernis des Verweilens der betroffenen Art in einem günstigen Erhaltungszustand nach Art. 16 Abs. 1 FFH-RL.

Hatte sich lange Zeit der 9. Senat des BVerwG nicht durchringen können, Farbe zu bekennen, ob nun im Rahmen der habitatschutzrechtlichen Abweichungsprüfung aus sonstigen zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses die Kommission nur bei Betroffenheit prioritärer Lebensraumtypen oder Arten selbst oder bereits bei irgendeiner Betroffenheit der Gebiete, in denen solche Lebensraumtypen oder Arten vorkommen, zu beteiligen ist (hierzu insbes. Steeck/Lau, NVwZ 2009, 616, 619 f.) und hatte dem dann der 4. Senat mit einem klaren Bekenntnis zu Ersterem ein Ende bereitet, so lief hinsichtlich der Klärung offener Fragen zur Auslegung des Art. 16 Abs. 1 FFH-RL das “Spiel” nunmehr genau anders herum:

Sollen Ausnahmen von den artenschutzrechtlichen Zugriffsverboten des § 44 Abs. 1 BNatSchG zugelassen werden, so sind gemäß § 45 Abs. 7 BNatSchG auch die weiteren Anforderungen des Art. 16 Abs. 1 FFH-RL, also insbesondere das Verweilen der betroffenen Art in einem günstigen Erhaltungszustand, zu beachten. Insoweit stand auch bisher schon fest, dass ausgehend vom Urteil des EuGH zum finnischen Wolf diesem Erfordernis nur genügt ist, wenn der betreffende Eingriff artenschutzrechtlich neutral ist, d.h. zu keiner weiteren Verschlechterung bzw. Vereitelung der Verbesserung des Erhaltungszustands der betreffenden Art führt. Gestritten wurde indes über das vom EuGH in diesem Urteil vermeintlich des Weiteren aufgestellte Erfordernis der “außergewöhnlichen Umstände”. Der 4. Senat hat sich – explizit darauf angesprochen – zu keiner klaren Positionierung motivieren können (siehe Urt. v. 1.4.2009 – 4 B 62.08 -, zum Ganzen auch Steeck, NuR 2010, 4 ff.). Hier hat nun der 9. Senat gezeigt, dass es auch anders geht und auf knappem Raum, dafür aber nicht minder überzeugend dargelegt, dass die gesamte Debatte um die Frage, was unter den “außergewöhnlichen Umständen” im vorgenannten Sinne zu verstehen ist, auf eine babylonische Sprachenverwirrung beim Turmbau Europa zurückzuführen ist. Der Passus der “außergewöhnlichen Umstände” beruht nämlich auf einem Übersetzungsfehler; in der maßgeblichen finnischen Fassung des Urteils steht hier nur “ausnahmsweise”. Damit gibt es neben der artenschutzrechtlichen Neutralität überhaupt keine weitere Voraussetzung für das Verweilen in einem günstigen Erhaltungszustand. Art. 16 Abs. 1 FFH-RL sagt also letztlich nichts anderes als Art. 13 VRL: Zumindest der Status quo ist zu halten.

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