BVerwG, Urteil v. 13.05.2009 – 9 A 73.07 – [A4 Düren-Kerpen]

Mit Urteil vom 13.05.2009 wies das BVerwG die Klage eines Nauturschutzverbandes gegen den Planfeststellungsbeschluss zur Verlegung der A 4 zwischen Düren und Kerpen ab. Die Verlegung der Autobahn war Folge der Entwicklung des Braunkohletagebaus Hambach und ging nicht ohne den Verlust von nach Anhang I der FFH-Richtlinie geschützten Eichen- und Hainbuchenwaldflächen einher.

Was zunächst als eine Niederlage des Naturschutzverbandes auf ganzer Linie aussieht, ist beim näheren Hinschauen zumindest ein Teilerfolg. Letztlich konnte die Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses durch das Gericht nur deshalb attestiert werden, weil die Planfeststellungsbehörde noch im gerichtlichen Verfahren ergänzend ein Konzept von Schutz- und Leiteinrichtung für Fledermäuse und ein entsprechendes Monitoring vorgelegt hat.

Der 9. Senat bekannte sich zunächst (wiederum) zu einschlägigen Konventionsvorschlägen zur Beurteilung der Beeinträchtigung geschützter Lebensraumtypen und ließ hiervon (in einem obiter dictum) auch moderate Abschläge zu, wenn lediglich Flächen von funktional untergeordneter Bedeutung betroffen sind. Auch im Übrigen bewegt sich die Entscheidung in inzwischen gewohnten Bahnen, betont die fachliche Einschätzungsprärogative der Verwaltung, kommt im Ergebnis aber – wegen offensichtlicher Fehler – gleichwohl dazu, dass hier entgegen der Auffassung der Planfeststellungsbehörde erhebliche Beeinträchtigungen auf die Erhaltungsziele nicht ausgeschlossen werden können. Während die Planfeststellungsbehörde nämlich noch davon ausging, dass eine erhebliche Beeinträchtigung des FFH-Gebietes “Dickbusch, Lörsfelder Busch, Steinheide” nicht vorläge, ergab sich für den Senat eine erhebliche Beeinträchtigung der Erhaltungsziele schon aus dem Verlust von 1,7 ha des Lebensraumtyps 9160. Dieser läge über dem relativen Orientierungswert von 1 % der Fläche und weit über dem absoluten Orientierungswert von 100 qm. Umstände, die eine solche Abweichung rechtfertigen könnten, seien nicht erkennbar.

Der Planfeststellungsbeschluss ließ sich aber über die hilfsweise durchgeführte Abweichungsprüfung retten. Hinsichtlich der insoweit behördlicherseits herangezogenen Wahrunterstellung betont das BVerwG – zutreffend -, dass diese Wahrunterstellung nur dann von Wert ist, wenn – sowohl im Rahmen der Alternativenprüfung als auch bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen – nicht pauschal eine erhebliche Beeinträchtigung angenommen, sondern im Einzelnen dargetan wird, in welcher Hinsicht und in welchem Umfang Beeinträchtigungen als gegeben bzw. als möglich zugrunde gelegt wurden. Die Abweichungsvoraussetzungen wurden sodann bejaht: Zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses lägen in der Aufrechterhaltung einer wichtigen Ost-West-Verbindung, der Verbesserung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs und der Gewährleistung einer sicheren Energieversorgung. Alternativen seien schon wegen der räumlichen Determinierung durch den zu sichernden Tagebau Hambach nicht ersichtlich. Die erforderlichen Kohärenzmaßnahmen seinen ergriffen worden.

Interessant wird das Urteil erst wieder beim Artenschutzrecht. Hier hat der Senat noch einmal seine Auffassung bekräftigt, dass der Verbotstatbestand des § 42 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 BNatSchG nicht schon dann einschlägig ist, wenn nicht ausgeschlossen werden könne, dass Tiere durch Kollision mit Fahrzeugen ums Leben kommen, sondern erst dann, wenn das Risiko durch das Vorhaben signifikant erhöht wird (vgl.  BVerwG, Urteil v. 12.3.2008 – 9 A 3.06 und BVerwG, Urteil v. 9.7.2008 – 9 A 14.07) und damit das üblicherweise mit einem Verkehrsweg im Naturraum verbundene Risiko überschritten wird.

Ferner hat der Senat die Anwendung des § 42 Abs. 5 S. 1 BNatSchG im Hinblick auf das Verbot der Zerstörung von Fortpflanzungs- oder Ruhestätten im Einzelfall gebilligt. Da die Bechsteinfledermaus nicht nur eine einzelne Baumhöhle, sondern einen Verbundkomplex von ca. 10 verschiedenen Höhlen nutze, sei es nicht zu beanstanden, bei Beschädigung oder Zerstörung jedes einzelnen Baumes den Verbotstatbestand des § 42 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG als nicht erfüllt anzusehen, solange die übrigen Bäume die Funktion der gerodeten Bäume mit übernehmen können.

Weitere Informationen:

Entscheidungsbesprechung:

  • Rüdiger Nolte, jurisPR-BVerwG 1/2010

Fundstellen (Leitsätze und Gründe):

  • NuR 2009, S. 711 ff.
  • UPR 2009, S. 451 ff.

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