BVerwG, Urteil v. 18.03.2009 – 9 A 31.07 u.a. – [A 44 Ratingen Velbert]

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat neun Klagen gegen den Bau eines Teilstücks der Autobahn A 44 zwischen Ratingen und Velbert abgewiesen, in einem weiteren Verfahren den Planfeststellungsbeschluss für das Vorhaben aber für rechtswidrig und nicht vollziehbar erklärt.Die Kläger hatten u.a. geltend gemacht, das Vorhaben verstoße gegen das europäische Artenschutzrecht. Diesem Einwand ist das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil, dessen Absetzung immerhin deutlich länger als die als Richtschnur geltenden sechs Monate nach der Urteilsverkündung auf sich hat warten lassen, nicht gefolgt.

Lesenswert sind die Ausführungen zum Tatbestand der Zerstörung von Fortpflanzungs- und Ruhestätten ( § 42 Abs. 3 i.V.m. § 43 Abs. 5 S. 2 und 3 BNatSchG). Hier hat das BVerwG klargestellt, dass sich die Vorschrift auf die Erhaltung der Funktion der jeweiligen Lebensstätte richtet, und zwar bezogen auf die Exemplare der besonders geschützten Art, die diese Fortpflanzungs- und Lebensstätte bisher genutzt haben. So ginge durch den Bau der Autobahn zwar ein Brutbaum des artenschutzrechtlich besonders geschützten Steinkauzes verloren. Dem habe der Beklagte aber in rechtlich nicht zu beanstandender Weise durch nachträgliche Anordnung einer vor Baubeginn durchzuführenden Ausgleichsmaßnahme Rechnung getragen, die die Anlegung zusätzlicher, mit künstlichen Niströhren ausgestatteter, Habitatflächen für diese Vogelart zum Gegenstand habe.

Wenig glücklich sind die Ausführungen im Urteil zum Edelkrebs. Ob diese zu den besonders geschützten Arten zählende Art durch die Einleitung von Straßenoberflächenwasser in den Anger geschädigt werden könnte, hat der Senat ausdrücklich offen gelassen, da dies eine die wasserrechtliche Erlaubnis betreffende Frage sei, auf die es bei der artenschutzrechtlichen Beurteilung des Planfeststellungsbeschlusses nicht ankäme. Richtig ist, dass die wasserrechtliche Gestattungen rechtlich selbstständig neben dem Planfeststellungsbeschluss steht. Mag sein, dass man hieraus ableiten kann, dass auch die Verwirklichung von artenschutzrechtlichen Verbotstatbeständen der jeweiligen Genehmigung zuzuordnen sind. Dass dies aber im Ergebnis dazu führen soll, dass Enteignungsbetroffene, denen im Hinblick auf den Planfeststellungsbeschluss ein umfassendes Rügerecht zukommen soll, die mit der wasserrechtlichen Gestattung einhergehenden Verstöße gegen das Artenschutzrecht nicht mehr sollen rügen können, überzeugt nicht. Jedenfalls hätte das Gericht hier prüfen müssen, ob der Erteilung einer wasserrechtlichen Gestattung durch den Edelkrebs unüberwindbare Hindernisse entgegenstehen. In diesem Fällen wäre der Planfeststellungsbeschluss wegen fehlender Planrechtfertigung unzulässig. Es steht zu befürchten, dass sowohl Planer und Gutachter versuchen werden, die vermeintliche Lücke im Schutzsystem zu nutzen; anderseits werden die Naturschutzverbände hiergegen wieder juristisch aufrüsten.  Wieder einmal zeigt sich, dass die durch § 14 Abs. 1 WHG angeordnete Ausnahme der wasserrechtlichen Gestattungen vom Grundsatz der Konzentrationswirkung der Planfeststellung ein Fremdkörper im Planungsrecht ist, der mehr Probleme verursacht, als dass er hilfreich ist.         

Im Übrigen hat der 9. Senat seine Rechtsprechung zur Frage der Tierkollision noch einmal bestätigt.

Insgesamt enthält das Urteil eine Reihe von interessanten Aussagen außerhalb des Naturschutzrechtes, nicht nur zu den oben bereits angesprochenem Verhältnis von Planfeststellung und wasserrechtlicher Gestattung, sondern auch zur Frage der Zulässigkeit der Doppelzuständigkeit einer Behörde als Antragsteller und gleichzeitig Genehmigungsbehörde und zum Verhältnis von Planänderung/-ergänzung zum Ausgangsplanfeststellungsbeschluss.

Interessant ist das Urteil auch hinsichtlich der Gründe, die zur Stattgabe eines der Urteile geführt hat. Der festgestellte Plan sah vor, zu einem landwirtschaftlichen Betrieb gehörende Flächen weit überwiegend nicht für den Straßenbau selbst, sondern für naturschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahmen enteignend in Anspruch zu nehmen. Angesichts der damit verbundenen betrieblichen Existenzgefährdung könne dies nur dann verhältnismäßig sein, so das BVerwG, wenn sich ein fachlich vertretbares Kompensationskonzept anders nicht bewerkstelligen ließe. Ob Möglichkeiten hierfür bestanden, habe der Beklagte jedoch zu prüfen versäumt und sein Konzept einseitig allein an naturschutzfachlichen Erwägungen ausgerichtet.

Weitere Informationen:

Entscheidungsbesrechung:

  • Rüdiger Nolte, jurisPR-BVerwG 1/2010

Fundstelle (Leitsätze und Gründe):

  • NuR 2009, S. 776 ff.

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