EuGH, Urteil v. 18.3.1999 – Rs. C-166/97 – [Seine-Mündung]

Die Französische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 4 Absätze 1 und 2 der Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom 2. April 1979 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten verstossen, daß sie es unterlassen hat, im Mündungsgebiet der Seine eine ausreichende Fläche zum besonderen Schutzgebiet zu erklären und Maßnahmen zu ergreifen, um dem eingerichteten besonderen Schutzgebiet einen ausreichenden Rechtsstatus zu verschaffen.Leitsätze:

Ein Mitgliedstaat kann sich nicht auf Bestimmungen, Übungen oder Umstände seiner internen Rechtsordnung berufen, um die Nichteinhaltung der in einer Richtlinie festgelegten Verpflichtungen und Fristen zu rechtfertigen. 

Im Rahmen einer Klage gemäß Artikel 169 des Vertrages ist das Vorliegen einer Vertragsverletzung anhand der Lage zu beurteilen, die bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist bestand.

Artikel 4 Absätze 1 und 2 der Richtlinie 79/409 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten verpflichtet die Mitgliedstaaten dazu, die dort behandelten besonderen Schutzgebiete mit einem rechtlichen Schutzstatus auszustatten, der geeignet ist, u. a. das Überleben und die Vermehrung der in Anhang I der Richtlinie aufgeführten Vogelarten sowie die Vermehrung, die Mauser und die Überwinterung der nicht in diesem Anhang aufgeführten, regelmässig auftretenden Zugvogelarten sicherzustellen.

Eine Schutzregelung, nach der ein besonderes Schutzgebiet nur den Status des Gemeinguts und eines maritimen Tierschutzgebiets besitzt, genügt, wenn sie ausser im Bereich der Jagd keine konkreten Maßnahmen umfasst, nicht, um einen ausreichenden Schutz im Sinne der genannten Bestimmungen sicherzustellen.

Die Mitgliedstaaten müssen gemäß Artikel 4 Absatz 4 der Richtlinie 79/409 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten geeignete Maßnahmen treffen, um die Verschmutzung und Beeinträchtigung der Lebensräume der betreffenden Arten zu vermeiden; dies gilt auch für ein Gebiet, das nicht zum besonderen Schutzgebiet erklärt wurde, obwohl dies nach der Richtlinie hätte geschehen müssen. Folglich kann ein Verstoß gegen diese Bestimmung nur dann vorliegen, wenn das betreffende Gebiet zu den zahlen- und flächenmässig für die Erhaltung geschützter Arten geeignetsten Gebieten im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 Unterabsatz 4 der Richtlinie gehört, der die Kriterien für eine solche Einstufung enthält.

Insoweit beweist die blosse Tatsache, daß ein Gebiet vom Mitgliedstaat in ein Verzeichnis der Gebiete von Bedeutung für die Erhaltung der Vögel aufgenommen wurde, nicht, daß es zum besonderen Schutzgebiet erklärt werden musste.

Weitere Informationen:

Fundstellen (Leitsätze und Gründe):

  • Slg. 1999, I-1719
  • NuR 1999, S. 501 ff.
  • ZUR 1999, S. 148 ff.

Tags: , , , , , , , , , ,

Kommentieren