EuGH, Urteil v. 11.7.1996 – Rs. C-44/95 – [Lappel Bank]

1. Artikel 4 Absätze 1 oder 2 der Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom 2. April 1979 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten ist dahin auszulegen, daß ein Mitgliedstaat nicht berechtigt ist, die in Artikel 2 dieser Richtlinie genannten wirtschaftlichen Erfordernisse bei der Auswahl und Abgrenzung eines besonderen Schutzgebiets zu berücksichtigen.

2. Artikel 4 Absätze 1 oder 2 der Richtlinie 79/409 ist dahin auszulegen, daß ein Mitgliedstaat bei der Auswahl und Abgrenzung eines besonderen Schutzgebiets wirtschaftliche Erfordernisse nicht als Gründe des Gemeinwohls, die Vorrang vor den mit dieser Richtlinie verfolgten Umweltbelangen haben, berücksichtigen darf.

3. Artikel 4 Absätze 1 oder 2 der Richtlinie 79/409 ist dahin auszulegen, daß ein Mitgliedstaat bei der Auswahl und Abgrenzung eines besonderen Schutzgebiets wirtschaftliche Erfordernisse nicht berücksichtigen darf, die zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses, wie sie in Artikel 6 Absatz 4 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen genannt sind, darstellen.

Leitsätze:

Artikel 4 Absätze 1 oder 2 der Richtlinie 79/409 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten, der die Mitgliedstaaten verpflichtet, für bestimmte Arten besondere Schutzmaßnahmen anzuwenden, insbesondere die für ihre Erhaltung geeignetsten Gebiete zu besonderen Schutzgebieten zu erklären, ist dahin auszulegen, daß ein Mitgliedstaat nicht berechtigt ist, die in Artikel 2 dieser Richtlinie genannten wirtschaftlichen Erfordernisse bei der Auswahl und Abgrenzung eines besonderen Schutzgebiets zu berücksichtigen, und sie nicht einmal als Gründe des Gemeinwohls, die Vorrang vor den mit dieser Richtlinie verfolgten Umweltbelangen haben, berücksichtigen darf.

In diesem Zusammenhang darf ein Mitgliedstaat wirtschaftliche Erfordernisse auch dann nicht berücksichtigen, wenn sie zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses darstellen, wie sie in Artikel 6 Absatz 4 der Richtlinie 92/43 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen genannt sind, der in die Richtlinie 79/409 aufgenommen wurde. Diese Bestimmung hat zwar das Spektrum der Gründe, die eine Beeinträchtigung eines besonderen Schutzgebiets rechtfertigen können, durch ausdrückliche Aufnahme der Gründe sozialer oder wirtschaftlicher Art erweitert, aber für die Anfangsphase der Klassifizierung nach Artikel 4 Absätze 1 und 2 der Richtlinie 79/409 keine Änderung eingeführt, so daß die Klassifizierung als besondere Schutzgebiete in jedem Fall anhand der Kriterien zu erfolgen hat, die nach den letztgenannten Bestimmungen gelten.

Weitere Informationen:

Entscheidungsbesprechung:

Fundstellen (Leitsätze und Gründe):

  • Slg. 1996, I-3805
  • NuR 1997, S. 36 ff.
  • ZUR 1996, S. 251 ff. 

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