EuGH, Urteil v. 14.01.2010 – Rs. C-226/08 – [Unterems]

Die Bundesrepublik kann das erforderliche Einvernehmen zur Aufnahme des bereits gemeldeten Gebietes “Unterems und Außenems” nicht aus wirtschaftlichen Gründen verweigern.  Dies hat der Europäische Gerichtshof mit Urteil v. 14.01.2010 – Rs. C-226/08 – entschieden und damit die Auffassung der Bundesrepublik Deutschland wie auch der Generalanwältin Sharpston in ihren Schlussanträgen v. 09.07.2008 bestätigt. 

Hintergrund der Entscheidung ist die Klage der Stadt Papenburg vor dem Verwaltungsgericht Oldenburg mit dem Ziel, die Bundesrepublik zu verpflichten, ihr Einvernehmen gemäß Art.  4 Abs. 2 UAbs. 1 FFH-Richtlinie zu verweigern. Das Verwaltungsgericht Oldenburg hatte sodann die Frage dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt, ob die Bundesrepublik Deutschland aus wirtschaftlichen Erwägungen ihr Einvernehmen verweigern könne (VG Oldenburg, Beschluss v.  13.03.2008 – 1 A 510/08). Nur in diesem Fall wäre die Bundesrepublik Deutschland auch verpflichtet gewesen,ernsthaft zu erwägen, die Erteilung des Einvernehmens zu Gunsten der Ems-Anrainer zu verweigern.

Die Erteilung des Einvernehmens der Mitgliedstaaten ist ein notwendiger Verfahrensschritt im Rahmen des Auswahl-, Melde- und Ausweisungsverfahrens von FFH-Gebieten. Nachdem die Mitgliedsstaaten zunächst alle naturschutzfachlich in Frage kommenden Gebiete ausgewählt und an die Europäische Kommission gemeldet haben (Art. 4 Abs. 1 FFH-Richtlinie), soll die Europäische Kommission aus diesem “Pool” die naturschutzfachlich besonders wertvollen Gebiete auch unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Vernetzung auswählen (in der Praxis wurden freilich alle Gebiete ausgewählt bzw. hat eine Auswahl gar nicht stattgefunden) und diese Gebiete auf die Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung setzen (Art. 4 Abs. 2 FFH-Richtlinie). Zum Entwurf dieser Liste ist das ausdrückliche Einverständnis des jeweiligen Mitgliedstaates notwendig (=Einvernehmen). Bis zuletzt war umstritten, ob wirtschaftliche Erwägungen, die jedenfalls bei der Gebietsauswahl keine Rolle spielen dürfen, dazu führen können, dass der Mitgliedsstaat sein Einvernehmen verweigern könne. Andernfalls, so die Befürworter dieser Auffassung, liefe die Regelung der Einvernehmenserteilung gleichsam ins Leere. Das Einvernehmen könne nie verweigert werden, da die naturschutzfachliche Eignung ja bereits bestätigt sei.  Dem mochte der EuGH nicht folgen, sondern argumentierte, dass  wirtschaftliche Erwägungen das Ziel der Richtlinie, der Errichtung eines kohärenten Netzes Natura 2000, zuwieder liefe.

Für Deutschland hat die Entscheidung des EUGH nahezu keine Bedeutung mehr, da die Bundesrepublik zu allen Gebieten (mit Ausnahme des Gebietes (Unterems und Außenems) ihr Einvernehmen bereits erteilt hat. So wird das Urteil vor allem in den Europäischen Mitgliedsstaaten Beachtung finden, in denen die Gebietsauswahl noch nicht abgeschlossen ist.

Welche Auswirkungen das Urteil auf das Betriebskonzept der Meyer Werft im niedersächsischen Papenburg haben wird, bleibt abzuwarten. Um mit den in Papenburg gebauten Kreuzfahrtschiffen die Ems zwischen der Werft und der Nordsee befahren zu können, muss die Ems jedes Mal durch Bedarfsbaggerungen vertieft werden.

Auf entsprechende Frage des Verwaltungsgerichts Oldenburg hat der EuGH hierzu darauf hingewiesen, dass die fortgesetzte Unterhaltungsbaggerung ein Projekt im Sinne von Art. 6 Abs. 3 FFH-RL darstelle und daher grundsätzlich einer Überprüfung der Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen des FFH-Gebietes bedürfe. Dies gelte grundsätzlich auch dann, wenn die Unterhaltsbaggerungen – wie hier – vor Ablauf der Umsetzungsfrist der FFH-Richtlinie bereits genehmigt worden sei. Auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes des Vertrauenschutzes auf eine bestehende Genehmigung sei eine neue Norm auf künftige Auswirkungen eines Sachverhalts anwendbar, auch wenn der Sachverhalt bereits vor ihrer Geltung entstanden ist. Der Vertrauensschutz könne nicht soweit gehen, dass  die Anwendung der neuen Vorschrift auf künftige Auswirkungen eines bestimmten Sachverhalts schlechthin ausgeschlossen ist.  Allerdings sei möglicherweise nicht vor jeder Ausbaggerung eine FFH-Verträglichkeitsprüfung notwendig, so der EuGH, dann nämlich, wenn sich die Unterhaltungsmaßnahme im Hinblick darauf, dass sie wiederkehrend anfällt und dem Zweck dient, eine bestimmte Tiefe der Fahrrine durch regelmäßige und hierzu erforderliche Ausbaggerungen beizubehalten, als eine einheitliche Maßnahme darstellt. Ist eine solche Maßnahme bereits vor Ablauf der Umsetzungsfrist der FFH-Richtlinie genehmigt worden, entfalle dann auch die Pflicht zur FFH-Verträglichkeitsprüfung, insoweit gelte lediglich das allgemeine Verschlechterungsverbot des Art. 6 Abs. 2 FFH-RL. Ob dies bei den sporadisch auf Abruf erfolgenden Ausbaggerungen der Ems für die Meyerschiffe der Fall ist, müssen nun die Genehmigungsbehörden klären.

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