EuGH, Urteil v. 16.02.2012 – C-182/10 – [Solvay]

Das Vorlageverfahren in der Sache “Solvay” verlangte dem EuGH in seinem Urteil vom 16.02.2012 eine Vielzahl an Äußerungen zu den unterschiedlichsten umweltrechtlichen Themen ab, insbesondere zur UVP-Richtlinie. Einige der Vorlagefragen betrafen aber auch Fragestellungen in Bezug auf die FFH-Richtlinie und hier vor allem die Abweichungsseite (Art. 6 Abs. 4 FFH-RL), zu der sich der EuGH bislang nur wenig geäußert hat.

Zunächst stellte der Gerichtshof klar, dass unter “zuständigen einzelstaatlichen Behörden” im Sinne des Art. 6 Abs. 3 FFH-RL auch gesetzgebende Organe fallen, soweit diese mit dem Erlass von Plänen oder der Genehmigung von Projekten befasst sind.

Sodann betonte der EuGH nochmals, dass die Abweichungsmöglichkeit des Art. 6 Abs. 4 FFH-RL als Ausnahmevorschrift eng auszulegen und überdies nur eröffnet sei, wenn zuvor eine ordnungsgemäße FFH-Verträglichkeitsprüfung stattgefunden habe. Andernfalls sei weder die im Rahmen der zwingenden Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses sowie der Alternativenprüfung geforderte Abwägung noch die Abarbeitung der Kohärenzsicherungspflicht sachgerecht durchführbar.

Die für das zur Abweichung führende Vorhaben sprechenden Gründe müssen schließlich “öffentlich” und “überwiegend” sein, was bedeute, dass sie von ihrem Gewicht her mit dem mit der FFH-Richtlinie verfolgten Ziel abgewogen werden können. Bauarbeiten im Hinblick auf die Ansiedlung oder Erweiterung eines privaten Unternehmens erfüllten diese Voraussetzung nur in Ausnahmefällen und so beanstandete der EuGH letztlich, dass im hiesigen Fall ein FFH-Gebiet für die Errichtung einer Infrastruktur für ein – privates – Verwaltungszentrum erheblich beeinträchtigt werden sollte.

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