Fehrensen, Sebastian (NuR 2008, S. 483 ff.)
Verminderte Anforderungen an die FFH-Verträglichkeitsprüfung und die Prüfung artenschutzrechtlicher Verbotstatbestände, gesteigerte Darlegungslast für ein faktisches Vogelschutzgebiet nach dem Beschluss des BVerwG vom 13. März 2008

Der Kodex vieler Redaktionen von juristischen Fachzeitschriften, Urteilsbesprechungen von am Verfahren Beteiligter nicht zuzulassen, hat seine Berechtigung, wird doch dadurch verhindert, dass dem subjektiv Betroffenen Gelegenheit zum öffentlichen Nachtreten gegeben wird und die objektive Beurteilung der Entscheidung dadurch in den Hintergrund tritt. Dass dies nicht zwangsläufig der Fall sein muss, zeigt die Besprechung der Beschlüsse des BVerwG vom 13. März 2008 – 9 VR 9.07 und 9 VR 10.07 - zur A 4 zwischen Jena/Göschwitz und Magdala von Fehrensen, der als Rechtsanwalt die gegen den Planfeststellungsbeschluss klagende Bürgerinitiative in den hier besprochenen Verfahren vertritt. So finden sich in der Entscheidungsbesprechung nicht nur die wichtigsten Kernaussagen der Entscheidung zur FFH-Verträglichkeitsprüfung und zum Artenschutzrecht wieder, die sodann in Kontext zur bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes – insbesondere zur Westumfahrung Halle – gestellt werden, sondern sie enthält auch eine Reihe von Hintergrundinformationen, welche die Eilentscheidung des 9. Senates noch einmal in einem anderen Licht erscheinen lassen.

Im Ergebnis ist dem Autor zuzustimmen, dass mit der Entscheidung die Anforderungen an die FFH-Verträglichkeitsprüfung geräuschlos abgesenkt wurden; insbesondere aber auch die Latte für die Anforderungen an die Darlegung von Verstößen für Gegner von Planungsgenehmigungen vom Gericht sehr hoch gelegt wurde, sei es für den Vortrag der Beeinträchtigung eines faktischen Vogelschutzgebietes oder des gerügten Verstoßes gegen artenschutzrechtliche Verbote.

Freilich greift die Kritik in einigen Punkten zu kurz: Im Hinblick auf die Alternativenprüfung des Art. 6 Abs. 4 der FFH-Richtlinie rügt der Autor, dass die Kläger wohl kaum die Kostenschätzungen durch eigene Berechnungen angreifen können; in diesem Zusammenhang drängt sich doch vielmehr die Frage auf, ob der Gesichtspunkt der Kostensteigerung ohne Weiteres in die Alternativenprüfung einbezogen werden darf. Keine Beachtung findet weiterhin die Frage, inwieweit sich die gestiegenen Anforderungen an die Darlegung von Verstößen gegen artenschutzrechtliche Vorschriften mit dem Amtsermittlungsgrundsatz vereinbaren lassen. Nicht überzeugend ist zuletzt, dass der mit der Trassenverlegung einhergehende zwangsläufige Rückbau der Bestandstrasse durch den Autor als Ausgleichsmaßnahme qualifiziert wird. Das europäische Naturschutzrecht kennt streng genommen keine Ausgleichsmaßnahmen, daher sollte der Begriff – um Missverständnissen vorzubeugen – hier auch nicht verwendet werden. Kompensationsmaßnahmen im Sinne der Eingriffsregelung mit in die Bewertung der Erheblichkeit nach Art. 6 Abs. 3 FFH-Richtlinie einzubeziehen, ist dagegen grundsätzlich unproblematisch, soweit diese Maßnahmen räumlich und zeitlich bereits an der Wirkung des Vorhabens ansetzen und diese im Bezug auf die Erhaltungsziele mindern (so genannte “vorgezogene Minderungsmaßnahmen” oder CEF-Measures). Dafür, den Rückbau als vorgezogene Minderungsmaßnahme einzustufen, spricht m.E. auch folgendes Argument: Nach Art. 6 Abs. 3 FFH-Richtlinie wird darauf abgestellt, ob ein Vorhaben einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Vorhaben geeignet ist, ein Gebiet erheblich zu beeinträchtigen. Diese so genannte Summationswirkung gilt aber wohl nicht nur einseitig zu Lasten eines Vorhabens, sondern auch, wenn durch ein “anderes Vorhaben” Entlastungseffekte erzeugt werden, sofern die Voraussetzungen für die Einbeziehung dieses Vorhabens gegeben sind. Dies gilt umso mehr, als es sich hier nicht um ein anderes Vorhaben, sondern eigentlich um das gleiche Vorhaben handelt.

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