EuGH, Urteil v. 14.6.2007 – Rs. C-342/05 – [Finnischer Wolf]

Die Republik Finnland hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 16 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen verstoßen, dass sie die Jagd auf Wölfe aus präventiven Gründen erlaubt, ohne dass nachgewiesen ist, dass die Jagd zur Verhütung ernster Schäden im Sinne von Art. 16 Abs. 1 Buchst. b dieser Richtlinie geeignet ist.

Leitsätze:

  1. Da Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 92/43 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen eine Ausnahmeregelung von den in den Art. 12, 13, 14 und 15 Buchst. a und b enthaltenen Verboten vorsieht, die eng auszulegen ist und bei der die Beweislast für das Vorliegen der für jede Abweichung erforderlichen Voraussetzungen die Stelle trifft, die über sie entscheidet, müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass jeder Eingriff, der die geschützten Arten betrifft, nur auf der Grundlage von Entscheidungen genehmigt wird, die mit einer genauen und angemessenen Begründung versehen sind, in der auf die in Art. 16 Abs. 1 dieser Richtlinie genannten Gründe, Bedingungen und Anforderungen Bezug genommen wird. (vgl. Randnr. 25)
  2. Zwar ist nach Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 92/43 über die Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen, der eine Ausnahmeregelung von den in den Art. 12, 13, 14 und 15 Buchst. a und b aufgestellten Verboten vorsieht, der günstige Erhaltungszustand der Populationen der betreffenden Tierarten in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet eine unabdingbare Voraussetzung für die Zulassung der vorgesehenen Ausnahmen, doch sind solche Ausnahmen unter außergewöhnlichen Umständen weiterhin zulässig, wenn hinreichend nachgewiesen ist, dass sie den ungünstigen Erhaltungszustand dieser Populationen nicht verschlechtern oder die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands nicht behindern können. Entsprechend den Erwägungen der Kommission insbesondere in den Nrn. 47 bis 51 des Abschnitts III ihres Leitfadens zum strengen Schutz der Tierarten von gemeinschaftlichem Interesse gemäß der Richtlinie 92/43 kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass die Tötung einer Reihe von Exemplaren sich auf das in Art. 16 Abs. 1 dieser Richtlinie genannte Ziel der Bewahrung eines günstigen Erhaltungszustands der Population der betreffenden Art innerhalb ihres natürlichen Verbreitungsgebiets nicht auswirkt. Eine Ausnahme wäre in einem solchen Fall daher für diese Art neutral. (vgl. Randnrn. 28-29)
  3. Auch wenn die anwendbare nationale Regelung als solche mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist, kann sich eine Vertragsverletzung im Sinne von Art. 226 EG doch aus dem Bestehen einer gegen das Gemeinschaftsrecht verstoßenden Verwaltungspraxis ergeben, sofern diese in bestimmtem Grad verfestigt und allgemein ist. (vgl. Randnrn. 22, 33)
  4. Ein Mitgliedstaat, der die Jagd auf Wölfe (Canis lupus), eine in Anhang IV Buchst. a der Richtlinie 92/43 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen aufgeführte Tierart, aus präventiven Gründen erlaubt, ohne dass nachgewiesen ist, dass die Jagd zur Verhütung ernster Schäden im Sinne von Art. 16 Abs. 1 Buchst. b dieser Richtlinie geeignet ist, verstößt gegen seine Verpflichtungen aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 16 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie. (vgl. Randnr. 47 und Tenor)

Weitere Informationen:

Fundstellen (Leitsätze und Gründe):

  • Slg. 2007, I-4713
  • NuR 2007, 477

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