Generalanwältin Kokott, Schlussanträge v. 25.06.2009 – Rs. C-241/08 – [Kommission ./. Frankreich]

Im Vertragsverletzungsverfahren gegen Frankreich liegen nunmehr die Schlussanträge der Generalanwältin Kokott vor. Sollte der EuGH dem folgen, bestünde auch in Deutschland Handlungsbedarf.

Die Kommission beanstandet Vorschriften des französischen Umweltgesetzbuches, wirft Frankreich vor, Art. 6 Abs. 2, 3 und – jedenfalls in der Leseart der Generalanwältin – Abs. 4 FFH-RL nicht hinreichend in nationales Recht umgesetzt zu haben.

Zunächst verbiete das französische Recht nur signifikante Auswirkungen auf FFH-Gebiete. Das sei mit Art. 6 Abs. 2 FFH-RL nicht zu vereinbaren, da dieser jegliche Verschlechterung der natürlichen Lebensräume und Habitate der Arten untersage. Der Begriff der Verschlechterung sei dabei – wie bei Art. 6 Abs. 3 FFH-RL – auf die jeweiligen Erhaltungsziele bezogen. Insoweit sei dann aber jede Beeinträchtigung maßgeblich, auf eine irgendwie geartete Erheblichkeit komme es nicht an. Ausnahmen aus wirtschaftlichen Gründen u.ä.  seien nicht möglich. Die Rechtslage sei hier nicht anders als bei Art. 4 Abs. 4 S. 1 VS-RL. Letztlich lässt die Generalanwältin jedoch ausdrücklich offen, ob andere als naturschutzfachliche Interessen im Rahmen von Art. 6 Abs. 2 FFH-RL oder immer nur über Art. 6 Abs. 3 und 4 FFH-RL Berücksichtigung finden können.

Sodann kommt die Sprache auf beeinträchtigende Erhaltungsmaßnahmen. Diese stellten grundsätzlich keinen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 2 FFH-RL dar, vielmehr sei der Konflikt auf der Ebene der Definition der Erhaltungsziele zu lösen. Was die Bestimmung der Erhaltungsziele angeht, so komme hierbei den zuständigen Behörden ein weiter, wenn auch nicht gänzlich der gerichtlichen Kontrolle entzogener Beurteilungsspielraum zu.

Des Weiteren wendet sich die Generalanwältin mit klaren Worten sowohl in Bezug auf Art. 6 Abs. 2 FFH-RL als auch in Bezug auf Art. 6 Abs. 3 FFH-RL gegen Regelausnahmen z.B. zugunsten der Landwirtschaft; es müsse stets der Einzelfall geprüft werden, außer es könne pauschal mit Sicherheit eine Beeinträchtigung im vorgenannten Sinne ausgeschlossen werden. Sollte der EuGH – was zu erwarten ist – der Generalanwältin insoweit folgen, wären jedenfalls  § 33 Abs. 1 S. 2 HENatG und § 29 Abs. 2 S. 4 LNatSchG SH mit ihren Regelausnahmen für die der guten fachlichen Praxis entsprechende Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft europarechtswidrig und somit im Einzelfall unanwendbar.

Schließlich hält die Generalanwältin fest, dass im Rahmen der FFH-Verträglichkeitsprüfung nicht schon auch die Ausnahmevoraussetzungen nach Art. 6 Abs. 4 FFH-RL geprüft werden müssten. Mit Blick auf die Alternativenprüfung, die im Übrigen von der Zulassungsbehörde und nicht vom Vorhabenträger durchzuführen sei,  verlangt sie einen echten Alternativenvergleich: Zumindest die Alternativen der engeren Auswahl seien hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf das betreffende Gebiet nach vergleichbaren wissenschaftlichen Maßstäben zu untersuchen wie die Vorzugsvariante. Die Auffassung des BVerwG, wonach es beim Alternativenvergleich nur auf das Vorhandensein bzw. Nichtvorhandensein prioritärer Arten und Lebensraumtypen ankomme (zuletzt im Urteil v. 12.3.2008 – 9 A 3/06 -), erwiese sich mithin endgültig als verfehlt, wenn der EuGH der Generalanwältin folgen sollte. Darauf, dass dies nicht unwahrscheinlich ist, hatten wir bereits vor den Schlussanträgen hingewiesen (siehe Steeck/Lau, NVwZ 2009, 616, 618-620).

Weitere Informationen:

Tags: , , , , , , , , ,

Kommentieren