Generalanwältin Sharpston, Schlussanträge v. 25.2.2010 – C-535/07 – [Kommission/Österreich]

In der zweiten Runde des Vertragsverletzungsverfahrens gegen die Rebublik Österreich wegen (angeblich) unzureichender Umsetzung der Vogelschutzrichtlinie liegen nunmehr die Schlussanträge der Generalanwältin vor. Diese zeichnen sich durch einen breiten allgemeinen Teil aus, lassen dann aber bei der Anwendung der allgemeinen Überlegungen auf den konkreten Einzelfall etwas an Tiefe zu wünschen übrig. 

Zunächst befasste sich Generalanwältin Sharpston mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen einmal ausgewählte und ausgewiesene Vogelschutzgebiete wieder ganz oder teilweise eingezogen werden können. Die Vogelschutzrichtlinie hält sich hierzu ja bekanntermaßen bedeckt. In Anlehnung an frühere thematisch einschlägige Äußerungen des EuGH argumentierte die Generalanwältin, dass dies nur dann möglich sei, wenn der betreffende Mitgliedstaat aktuelle wissenschaftliche und ornithologische Beweise dafür vorlegen kann, dass durch die Gebietslöschung oder Gebietsverkleinerung das von der Vogelschutzrichtlinie geforderte Schutzniveau nicht beeinträchtigt werde. Hiergegen lässt sich im Grunde nichts einwenden.

Besondere Aufmerksamkeit widmete die Generalanwältin der weiteren Frage, wie weit der den Mitgliedstaaten eingeräumte Spielraum hinsichtlich der zu ergreifenden Schutz- und Erhaltungsmaßnahmen reicht. Insoweit hatte die Kommission u.a. argumentiert, dass Art. 4 Abs. 1 und 2 VS-RL rechtsverbindliche Ge- und Verbote voraussetzten. Dem widersprach die Generalanwältin erfreulicherweise und wies in diesem Zusammenhang – man glaubt es kaum – auf den Richtliniencharakter und Art. 288 AEUV (ex-Art. 249 Abs. 3 EG) der genannten Bestimmungen hin sowie auf das Bedürfnis nach flexiblen Handlungsmechanismen angesichts der regionalen Unterschiede und der Tatsache, dass man es hier mit einem höchst dynamischen und in weiten Teilen noch gar nicht erforschten Schutzgut zu tun hat. Auch zog die Generalanwältin Parallelen zu Art. 6 Abs. 1 FFH-RL, diesmal – anders als in ihren Schlussanträgen zur Papenburg-Entscheidung, auf die sie sich an dieser Stelle explizit bezog – in die richtige Richtung: Die Angleichung von Vogelschutz- und FFH-Richtlinie, wie sie insbesondere durch Art. 7 FFH-RL zum Ausdruck gebracht wird, hat so zu erfolgen, dass sich bei Auslegungsfragen das ältere Schutzinstrument (die Vogelschutzrichtlinie) am jüngeren (die FFH-Richtlinie) zu orientieren hat und nicht umgekehrt.

Schließlich ging es um die Frage, inwieweit Richtlinienbestimmungen mittels Generalklauseln umgesetzt werden können. Die Generalanwältin trat auch insoweit dem kategorischen Nein der Kommission in dieser Frage entgegen und plädierte für eine Orientierung am Faktischen, wenn sich ein Mitgliedstaat zur Umsetzung von Richtlinienbestimmungen Generalklauseln bedient; es komme darauf an, wie diese in praxi gehandhabt werden. Auch insoweit also ein Schritt in Richtung Stärkung der Autonomie der Mitgliedstaaten und zwar selbst in dem sensiblen Bereich des europäischen Naturschutzrechts – man kann hinsichtlich der weiteren Entwicklung gespannt sein.

Tags: , , , , ,

Kommentieren