BVerwG, Beschluss v. 28.10.2008 – 9 VR 3.08 – [A 44 VKE 32 Hessisch Lichtenau/Ost]

Mit Beschluss vom 28.10.2008 – 9 VR 3.08 – hat das Bundesverwaltungsgericht dem erneuten Eilantrag des BUND gegen den Neubau der Bundesautobahn A 44 östlich von Hessisch Lichtenau (Verkehrskosteneinheit (VKE) 32)) weitgehend stattgegeben. Damit darf – abgesehen von einer auf weiten zeitlichen Vorlauf angewiesenen naturschutzrechtlichen Kompensationsmaßnahme – nicht mit Arbeiten zur Vollziehung des angegriffenen Planfeststellungsbeschlusses begonnen werden.

Das Gericht hat seine Entscheidung über den Baustopp aufgrund einer Interessenabwägung getroffen: Der Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache sei offen. Die Klage werfe eine Vielzahl zum Teil schwieriger tatsächlicher und rechtlicher Fragen des europäischen Naturschutzrechts auf, die erst im Hauptsacheverfahren verlässlich geklärt werden könnten. Unter diesen Umständen sei es trotz des öffentlichen Interesses an einem zügigen Baubeginn vordringlich, die Schaffung vollendeter Tatsachen zu verhindern, die die Beeinträchtigung gewichtiger, auch gemeinschaftsrechtlich geschützter Gemeinwohlbelange des Naturschutzes zur Folge haben könnten.

Das aus 21 Teilgebieten bestehende FFH-Gebiet “Werra- und Wehretal”, das in Nordhessen mit einer Fläche von über 24.000 ha gemeldet wurde, beheimatet als maßgebliche Art das Große Mausohr. Der geplante Neubau der A 44 durchschneidet diesen Landschaftsraum auf einer Länge von fünf Planungsabschnitten (Verkehrskosteneinheiten 31 bis 50). Der Teilabschnitt VKE 32 nimmt allerdings keine Flächen des links und rechts der Trasse liegenden FFH-Gebietes “Werra- und Wehretal” direkt in Anspruch.

Eine erhebliche Beeinträchtigung des FFH-Gebietes durch die Trasse wurde auf Grundlage einer FFH-Verträglichkeitsprüfung ausgeschlossen. Insbesondere sollte durch vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen (sog. CEF-Measures) wie Grünbrücken und Leitstrukturen eine erhebliche Beeinträchtigung des die A 44 überfliegenden Großen Mausohrs wirksam verhindert werden. Hilfsweise wurde eine Alternativenprüfung im Sinne des Art. 6 Abs. 4 FFH-Richtlinie durchgeführt.

Das Bundesverwaltungsgericht bemängelte insbesondere, dass sich die FFH-Verträglichkeitsprüfung nur auf den Teilabschnitt VKE 32 bezog. In Kenntnis dessen, dass die weiteren Bauabschnitte gleichfalls durch den Landschaftsraum des FFH-Gebiets gehen, sei eine kumulativ bedingte erhebliche Auswirkung nicht mit Sicherheit auszuschließen. Auch die hilfsweise Alternativenprüfung sei nicht geeignet, die Genehmigungsfähigkeit herzustellen, da bei der Abwägung von einer falschen Wichtung der Auswirkungen (“keine Erheblichkeit”) ausgegangen worden sei.

Mit seinem Beschluss hat das Bundesverwaltungsgericht seine Verweigerung des Eilrechtschutzes (vgl. Flöhaquerung und Flughafen Schönefeld) manifestiert. Es steht zu befürchten, dass auch andere Gericht folgen werden und eine Eilentscheidung verweigern, sofern Rechtsfragen des europäischen Naturschutzrechtes berührt sind. Dies ist inzwischen bei nahezu jedem raumgreifenden Vorhaben der Fall. Damit wird freilich die gesetzgeberische Intensionen, durch den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung von Klagen gegen bestimmte Vorhaben der Verzögerungstaktik von Planungsgegnern einen Riegel vorzuschieben und Planungen zu beschleunigen ad absurdum geführt.

Mit der aus elf Teilabschnitten bestehenden A 44 zwischen Kassel und Eisenach (Herlesehausen) soll eine Lücke auf der Autobahnverbindung Rhein/Ruhr – Kassel – Dresden geschlossen werden. Ein Teilabschnitt (VKE 31) der neuen Autobahn ist bereits fertig gestellt. Erst im März 2008 war ein jahrelanger Rechtsstreit vor dem Bundesverwaltungsgericht um den benachbarten Teilabschnitt VKE 20 mit einem Urteil zu Gunsten des Vorhabens zu Ende gegangen.

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