Jürgen Trautner (NuR 2010, S. 90 ff.)
Die Krux der charakteristischen Arten

Dass den sog. charakteristischen Arten im Rahmen der FFH-VP eine nicht gering zu schätzende Bedeutung zukommt, dürfte inzwischen unstreitig sein. Geben sie doch Auskunft über den Erhaltungszustand eines geschützten Lebensraumtyps nach Anhang I FFH-RL. Trautner erläutert in für den fachwissenschaftlichen Laien sehr eingängiger Weise die derzeit (noch) bestehenden diesbezüglichen Schwierigkeiten.

Er weist darauf hin, dass die Klassifizierung und Zuordnung als charakeristische Art immer bezogen auf den konkreten Lebensraumtyp in seiner jeweiligen (räumlichen) Lage erfolgen muss. Pauschale Aussagen vermögen nur einen mehr oder weniger groben Anhaltspunkt zu geben. Die aktuell verfügbaren Handbücher und Kartieranleitungen vermögen keine ausreichend zuverlässige Erkenntnisquelle darzustellen. An einigen Beispielen erläutert Trautner die fachliche Problematik und weist zudem darauf hin, dass nicht alle jeweils charakteristischen Arten FFH-VP-relevant sind, sondern lediglich auf die prüfungsrelevanten charakteristischen Arten abgestellt werden muss. Im Ergebnis spricht er sich mit guten Gründen für eine eher restriktive Sichtweise aus; allenfalls “lebensraumholde” Arten oder “stete Begleiter” seien keine charakteristischen Arten.

Sehr erhellend sind die Apelle Trautners an die eigene Wissenschaft, charakteristische Arten nicht für einen so von den rechtlichen Vorgaben gar nicht intendierten Schutz zu “missbrauchen”. Darin offenbart sich einmal mehr die Schwierigkeit des Verweises von Rechtsnormen auf außerrechtliche Maßstäbe, der hier freilich unumgänglich ist. Umso mehr ist aber Wachsamkeit gefordert, dass politischen Tendenzen in den Fachwissenschaften nicht gleichsam vorbei am demokratisch legitimierten Gesetzgeber oder – wie hier – am Richtliniengeber zur Wirksamkeit verholfen wird. So spricht sich selbst Trautner, der für eine restriktive Sichtweise einsteht, dafür aus, dass ansonsten wohl maximal als “lebensraumholde” Arten oder “stete Begleiter” bezeichenbare Arten dann zu charakteristischen Arten werden, wenn diese im Einzelfall hoch gefährdet und auf den betreffenden Lebensraum angewiesen sind. Damit werden aber Pferd und Reiter miteinander verwechselt; wie Trautner an anderer Stelle selbst herausstreicht, geht es im Rahmen der FFH-VP um den Schutz des betreffenden Lebensraumtyps (!), der Schutz der gefährdeten Art muss dem speziellen Artenschutz vorbehalten bleiben. Reicht dieser Schutz aus (subjektiver) fachlicher Sicht nicht aus, kann er nicht einfach allein kraft der Autorität (vermeintlich) überlegenen Wissens einem konkret anderen Zielen dienenden Schutztatbestand “untergejubelt” werden.

Es ist das hoch zu lobende Verdienst Trauterns, die Juristenwelt (wieder einmal) hierauf aufmerksam gemacht und so zur Optimierung des Zusammenwirkens der beteiligten Wissenschaften beigetragen zu haben, um trotz Verweises auf außerrechtliche Maßstäbe in rechtsstaatlichen Bahnen zu bleiben.

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Ein Kommentar zu “Jürgen Trautner (NuR 2010, S. 90 ff.)
Die Krux der charakteristischen Arten”

  1. Frank Zimmermann sagt:

    Vielleicht ist dem geneigten Schreiber hier entgangen, dass “gefährdete Arten” in aller Regel oder zumindest oft (leider!) nicht einer geschützten Art entsprechen! Von daher ist es wohl mehr als (auch rechtlich) exakt, in bestimmten Fällen eine gefährdete (nicht geschützte!) Art als charakteristische Art zu behandeln, wenn sie einem Schutz im konkreten Gebiet für ihre Erhaltung im Vorkommensgebiet dringend bedarf!

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