Marcus Lau (UPR 2010, S. 169 ff.)
Fachliche Beurteilungsspielräume in der FFH-Verträglichkeitsprüfung

In Bezug auf die artenschutzrechtlichen Zugriffsverbote hat das BVerwG der Verwaltung bereits eine fachliche Einschätzungsprärogative hinsichtlich der Tabestandsverwirklichung zugestanden, solange und soweit sich die Fachwissenschaften nicht als eindeutiger Erkenntnisgeber erweisen (Urteil vom 9.7.2008 – 9 A 14.07 -, Rdnr. 59 ff.). Bei der FFH-Verträglichkeitsprüfung war hingegen erst in jüngerer Zeit zu lesen gewesen, dass sich hier Beurteilungsspielräume verbieten (so etwa OVG Bremen, Urteil vom 4.6.2009 – 1 A 9/09 -). Dabei hat das BVerwG insoweit ebenfalls Beurteilungsspielräume der Verwaltung bereits anerkannt, diese aber bislang noch auf die Erfassung der Lebensraumtypen nach Anhang I FFH-RL sowie die Bestandsbewertung von Arten und Lebensräumen beschränkt (Urteil vom 12.3.2008 – 9 A 3.06 -, Rdnr. 74 f.). Der Beitrag greift dies auf und denkt die von der nationalen Rechtsprechung bereits angetippten Argumente weiter.

Unter Berücksichtigung der innerstaatlichen, insbesondere verfassungsrechtlichen, sowie der unionsrechtlichen Vorgaben steht am Ende das Ergebnis, dass auch bei der FFH-Verträglichkeitsprüfung – zumindest derzeit – die Einräumung eines fachlichen Beurteilungsspielraums unabwendbar ist. Die Gerichte können demnach nur prüfen, ob die betreffende Behördenentscheidung insoweit substanziell und nachvollziehbar begründet zu einem fachwissenschaftlich vertretbaren Ergebnis gelangt ist und hierbei – dies ist der entscheidende Unterschied zum Artenschutzrecht – die besten verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse berücksichtigt hat. Echte Erkenntnislücken können mit Verweis auf den fachlichen Beurteilungsspielraum freilich nicht umgangen werden; in diesen Fällen bleibt nach wie vor nur der vom BVerwG (Urteil vom 17.1.2007 – 9 A 20.05 -, Rdnr. 64) bereits aufgezeigte Weg über Analogieschlüsse und Worst-Case-Szenarien.

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