OVG Bremen, Urteil v. 03.06.2009 – 1 A 7/09 – [Wasserkraftwerk Bremen-Hemelingen]

Die Berufung des klagenden niedersächsischen Naturschutzvereins gegen den Planfeststellungsbeschluss des Senators für Bau, Umwelt und Verkehr der Freien Hansestadt Bremen für den Neubau eines Wasserkraftwerkes an der Weser-Staustufe Bremen-Hemelingen ist mit Urteil des OVG Bremen vom 3.6.2009 zurückgewiesen worden. Klingt der Tenor noch “ungefährlich”, so halten die Gründe einige böse Überraschungen bereit.

Zunächst äußerte sich das OVG zur Verbandsklagebefugnis, ging dabei auch auf das Umweltrechtsbehelfsgesetz (UmwRG) ein und widersprach der verfehlten Auffassung des VG Bremen, dass die Verbandsklage nach dem Umweltrechtsbehelfsgesetz hinter der naturschutzrechtlichen Vereinsklage zurücktrete. Auch äußerte das OVG Zweifel an der Europarechtskonformität des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UmwRG und stellte klar, dass die Fiktion des § 3 Abs. 1 S. 4 UmwRG nur so weit reicht, wie auch die naturschutzrechtliche Anerkennung des betreffenden Vereins reicht. Dies war hier entscheidend, da der Kläger nur in Niedersachsen anerkannt war und deshalb nicht befugt gewesen ist, in Bremen Rechtsbehelfe einzulegen. Hilfsweise kam das OVG aber noch auf die (Un)Begründetheit zu sprechen und verwies insoweit auf seine Ausführungen im Parallelverfahren – 1 A 9/09 -, in dem der Kläger zu 2., ein Sportfischer, die Zulässigkeitshürde genommen hatte.

Ein breit ausgeführter Punkt war insoweit die Vereinbarkeit mit den Umweltzielen der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL)/Bewirtschaftungsziele nach §§ 25a – 25d WHG. Das Gericht konstatierte, dass es auch ohne das Vorliegen der die finalen Vorgaben der WRRL konkretisierenden Maßnahmenprogramme und Bewirtschaftungspläne zwingende Bewirtschaftungsvorgaben gebe. Anschließend stellte es fest, dass es sich bei der Weser um ein erheblich verändertes Gewässer (heavily modified water body) handelt und stellte – ohne dies auch nur im Ansatz zu begründen – die These auf, dass das Verschlechterungsverbot des § 25b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 WHG jedenfalls bei erheblich veränderten Gewässern “jegliche – weitere – Verschlechterung” erfasse. Damit jedoch nicht genug: Das sog. Verbesserungsgebot nach § 25b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WHG richte auch an die einzelnen Vorhaben ein wasserwirtschaftliches Sanierungsgebot. Diese Tendenz setzte sich später im Rahmen der fachplanerischen Abwägung fort. Insoweit heißt es, dass dem Ziel der Erhaltung eines naturnahen Zustands bzw. der Rückführung zu einem solchen Zustand in der Abwägung “maßgebliche Bedeutung beizumessen” sei.

Das OVG scheint damit allen Ernstes der romantischen Vorstellung anzuhängen, in einem industrialisierten und – gerade was Deutschland betrifft – dicht besiedelten Europa, das ursprünglich zusammenrückte, um global wettbewerbsfähig zu bleiben, könnten so wichtige Transportwege wie die Wasserstraßen wieder in einen womöglich frei mäandrierenden vormittelalterlichen Zustand zurückversetzt werden (es ist – so das OVG – “das unter den gegebenen Umständen erreichbare [ökologische] Optimum anzustreben”). Und das ist dann nicht nur Staatsaufgabe, sondern auch Aufgabe jedes Einzelnen, der sich irgendwie an dem Gewässer “vergreift”; denn nicht nur, dass die Gewässernutzer den Status quo zu wahren hätten (was sich noch mit der vollständigen Internalisierung externer Kosten rechtfertigen ließe), nein, sie sollen gleich noch tatkräftig an der Sanierung des Gewässers mitwirken. Für private Gewässernutzer heißt das nichts anderes als die Pflicht zum Sonderopfer, für öffentlich-rechtliche Gewässernutzer, dass sie die Aufgaben der Wasserbehörden übernehmen. Wie all das angesichts der immensen volkswirtschaftlichen Kosten, die die Zurückverwandlung unserer Flüsse mit sich brächte, mit der Vorgabe der nachhaltigen Entwicklung in Einklang zu bringen ist (ganz zu schweigen von Aspekten des Grundrechtsschutzes), bleibt ebenso das Geheimnis des OVG wie die Frage, weshalb es – zumindest mit Blick auf die oberirdischen Gewässer – bei dieser Intensität an Ökologisierung des Wasserrechts überhaupt noch eines eigenständigen Wasserrechts bedarf.

Ähnliche Merkwürdigkeiten finden sich dann im Zusammenhang mit der FFH-Verträglichkeitsprüfung. Insoweit meinte das OVG, dass die Planfeststellungsbehörde bezüglich der Verträglichkeit eines Vorhabens mit den Erhaltungszielen des betroffenen Gebietes keinerlei Einschätzungsprärogative besitze. Da es in der Subsumtion dann aber den Gutachtern der Planfeststellungsbehörde folgte und nicht etwa dem Gutachter des Klägers, kann es auch nicht so sein, dass jede Einschätzung (selbsternannter) Fachleute, die Verträglichkeit sei nicht gewährleistet, Gehör finden müsse. Damit stellt sich die Frage, wer denn nun über die Verträglichkeit letztverantwortlich entscheidet – der Richter?! Es kann gar nicht anders sein, dass auch hier die Behörde die fachliche Bewertung vorzunehmen und zu verantworten hat, den Gerichten wiederum – lediglich um den Aspekt der Berücksichtigung der “besten” wissenschaftlichen Erkenntnisse ergänzt – nur eine Vertretbarkeitsüberprüfung zukommt. Für alles Weitere fehlt ihnen bereits der Sachverstand. So führte denn auch der EuGH aus: “Es erweist sich somit, dass die Genehmigung des in Rede stehenden Planes oder Projektes nur unter der Voraussetzung erteilt werden kann, dass die zuständigen nationalen Behörden Gewissheit darüber erlangt haben, dass sich der Plan oder das Projekt nicht nachteilig auf das betreffende Gebiet als solches auswirkt.” (EuGH, Urteil v. 7.9.2004 – C-127/02 –, [Herzmuschelfischer], Rdnr. 56 und 59; Hervorhebung nicht im Original).

Es kann nur gehofft werden, dass das Verdikt des OVG Bremen schnellstmöglich eine Korrektur erfährt.

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