OVG Magdeburg, Beschluss v. 21.04.2008 – 2 M 94/08 – [Militärische Tiefflüge]

Das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt hat unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Magdeburg v. 8.1.2008 - 2 M 358/06 – dem Bundesverteidigungsministerium aufgegeben, die seit dem 16. April 2008 stattfindenden Übungsflüge von Tornado-Flugzeugen über dem EU-Vogelschutzgebiet „Colbitz-Letzlinger Heide“ vorläufig einzustellen. Der antragstellende Naturschutzverein hatte beanstandet, dass es das Bundesverteidigungsministerium versäumt hat, ihm vor der Durchführung der Tiefflüge über dem Vogelschutzgebiet entsprechend den Bestimmungen des Naturschutzgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Das Oberverwaltungsgericht ist dieser Argumentation gefolgt und hat die vorläufige Einstellung der Tiefflüge verfügt, bis der Antragsteller Gelegenheit erhalten hat, die ihm nach dem Naturschutzgesetz des Landes Sachsen-Anhalt zustehenden Beteiligungsrechte wahrzunehmen.

Interessant an dieser Entscheidung ist weniger, dass das OVG Magdeburg auch für die Durchführung von Tiefflügen das Vorliegen eines ”Projektes” im Sinne des § 45 NatSchG LSA bejaht hat. Dies dürfte weitgehend unstreitig sein, vor allem, wenn man den Projektbegriff im NatSchG LSA, der sich eigentlich nur auf Vorhaben und Maßnahmen innerhalb eines Gebietes von gemeinschaftlicher Bedeutung bezieht, in europarechtskonformer Weise auch auf Vorhaben und Maßnahmen außerhalb dieser Gebiete auslegt.

Von Interesse ist m.E. vielmehr, dass das OVG hat gleichsam selbst die – fehlende – FFH-Vorprüfung (Screening) vorgenommen hat und sodann die erhebliche Beeinträchtigung als Ergebnis einer – ebenfalls fehlenden – FFH-Verträglichkeitsprüfung unterstellt hat, um erst dann die unterstellte notwendige Beteiligung des Naturschutzbundes zum Anlass zu nehmen, die Tiefflüge zu stoppen.

Dogmatisch richtiger wäre es wohl gewesen, die Klagebefugnis aus der fehlenden Verbandsbeteiligung abzuleiten, die Entscheidung in der Sache selbst jedoch auf die fehlende Abweichungsprüfung – bei unterstellter Erheblichkeit – zu stützen.

Mit der vorgeschlagenen Nachbesserung (Abweichungsprüfung mit Verbandsbeteiligung) ist es jedenfalls nicht getan, da ausweislich des Sachverhaltes bisher keine FFH-Verträglichkeitsprüfung durchgeführt wurde und dies zwingend auch die Abweichungsprüfung infiziert und zwar unabhängig von der Verbandsbeteiligung.            

Weitere Informationen:

Fundstellen (Leitsätze und Gründe):

  • NuR 2008, S. 867 ff.
  • ZUR 2008, S. 386 ff.
  • LKV 2008, S. 429 ff.

Tags: , , , , , , , ,

Kommentieren