OVG Nordrhein Westfalen, Urteil v. 03.09.2009 – 10 D 121/07.NE – [Kohlekraftwerk Datteln]

Der Bebauungsplan Nr. 05 – E.ON Kraftwerk der Stadt Datteln ist unwirksam. Dies entschied das OVG Münster in seinem Urteil v.03.0.2009. Der Bebauungsplan leide an erheblichen Mängeln, u.a. seien mögliche Auswirkungen auf das FFH-Gebiet „Lippeauen“ nicht ausreichend untersucht worden. Im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens war durch den Vorhabenträger eine FFH-Vorprüfung (sog. Screening) durchgeführt worden. Die Vorprüfung kam zu dem Ergebnis, durch den Kraftwerksneubau seien erhebliche Beeinträchtigungen der Erhaltungsziele des nur etwa vier Kilometer entfernten  FFH-Gebiet “Lippeaue” ausgeschlossen. Daher könne von der Durchführung einer FFH-Verträglichkeitsprüfung abgesehen werden.

Der Senat bemängelte, die FFH-Vorprüfung genüge nicht den gesetzlichen Anforderungen, da sich gerade nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen ließe, dass das Kraftwerk keine nachteiligen Auswirkungen auf das FFH-Gebiet habe. Eine solche Feststellung sei schon deshalb nicht möglich, da die der FFH-Vorprüfung zu Grunde liegenden Gutachten  keine Aussagen zum aktuellen Erhaltungszustand des FFH-Gebietes enthielten.  Die Standarddatenbögen ließen aber erkennen, dass sich zumindest Teile des FFH-Gebietes schon jetzt in einem ungünstigen Erhaltungszustand befänden. Daher komme ernsthaft in Betracht, dass jegliche zusätzliche Stickstoff- und Schwefeldioxidbelastung gesperrt sei.

Die rechtlichen Ausführungen des Gerichtes sind im Detail zumindest missverständlich, auch wenn dies zu keinem anderen Ergebnis führen dürfte. Zutreffend sind allerdings zunächst die Aussagen im Urteil zum Prüfungsmaßstab in der FFH-Vorprüfung und der dann ggf. folgenden FFH-Verträglichkeitsprüfung. Danach ist im Rahmen des Screenings zu prüfen, ob durch das geplante Vorhaben eine Beeinträchtigung der Erhaltungsziele offensichtlich ausgeschlossen ist. Kann eine solche erhebliche Beeinträchtigung nicht ausgeschlossen werden, ist diese zunächst zu unterstellen, bis im Rahmen einer dann durchzuführenden FFH-Verträglichkeitsprüfung der Gegenbeweis geführt ist. 

Klarstellend festzuhalten ist, dass das vom Senat angeführte Konzept der sog. “Critical Load and Limits” nicht geeignet ist, schon in der Vorprüfung eine erhebliche Beeinträchtigung mit Sicherheit auszuschließen. Hierfür fehlt es dem Konzept an der erforderlichen allseitigen wissenschaftlichen Anerkennung. Damit ist klar, dass dieses Konzept nur im Rahmen der FFH-Verträglichkeitsprüfung zur Führung des Gegenbeweises geeignet ist, wenn sich zugleich mit der Kritik an diesem Konzept auseinandergesetzt wird.    

Soweit der Senat weiterhin davon ausgeht, dass bei der Prüfung der FFH-Verträglichkeit von einem günstigen Erhaltungszustand auszugehen ist, ist dies nur insoweit zutreffend, als Ziel die Sicherung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszieles sein muss. Eine erhebliche Beeinträchtigung liegt danach vor, wenn der günstige Erhaltungszustand gefährdet oder die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes signifikant erschwert oder gar vereitelt wird (sog. Potentialverschlechterung). Die Frage, ob sich die Lebensraumtypen oder charakteristischen Arten im Gebiet in einem ungünstigen Erhaltungszustand befinden, kommt daher nur insoweit Bedeutung zu, dass sich – zunächst - die Fragestellung ändert und – weiterhin – gilt, dass je schlechter der Erhaltungszustand ist, um so höhere Anforderungen an den Nachweis der Unerheblichkeit zu stellen sind. Die Aussage des Senates, dass eine weitere Beeinträchtigung immer ausgeschlossen sei, wenn sich Gebietsbestandteile bereits vor Zulassung des Vorhabens in einem ungünstigen Erhaltungszustand befinden, ist damit so allgemein nicht zutreffend.

Fazit: Weder die Stadt Datteln noch die Heerschaaren von hochbezahlten Juristen bei E.ON und dessen Beratungskanzlei haben sich hier mit Ruhm bekleckert. Sicher kann es passieren, dass eine Planung einer gerichtlichen Kontrolle nicht standhält. Die vernichtende Kritik des Gerichtes lässt aber nur den Schluss zu, dass sich alle Beteiligten hier lieber darauf verlassen haben, das Projekt sei politisch gewollt und auch ein Gericht werde sich über den politischen Willen nicht hinweg setzten, als handwerklich sauber zu arbeiten.

Weitere Informationen:

Entscheidungsbesprechung:

  • Andrea Versteyl, NuR 2009, S. 819 ff.

Fundstellen (Leitsätze und Gründe):

  • DVBl 2009, S. 1385 ff.  
  • NuR 2009, S. 801 ff.

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