OVG Schleswig, Urteil v. 12.03.2009 – 1 KN 12/08 – [Port Olpenitz]

Die Stadt Kappeln beabsichtigt, den ehemaligen Marinestützpunkt Olpenitz zum Ferienparadies auszubauen. Der entsprechende Bebauungsplan wurde jedoch vom OVG Schleswig mit Urteil vom 12.03.2009 auf Antrag eines Umweltverbandes aus Naturschutzgründen gestoppt.

Das OVG hatte zunächst Fragen im Zusammenhang mit dem Umweltrechtsbehelfsgesetz (UmwRG) nachzugehen. Dabei nahm es eine gewissermaßen vermittelnde Position ein. Anders als das OVG Münster, Beschluss v. 05.03.2009 – 8 D 58/08.AK -, hielt der Senat § 2 Abs. 1 UmwRG für gemeinschaftsrechtskonform, erachtete dann aber – anders als offenbar OVG Lüneburg, Beschluss v. 07.07.2008 – 1 ME 131/08 -, die die Begründetheit betreffende Regelung des § 2 Abs. 5 S. 2 UmwRG für nicht anwendbar, weil dem Europarecht entgegenstünde. Insoweit sei die Richtlinie 2003/35/EG direkt zur Anwendung zu bringen.

Anschließend kommt das OVG auf diverse Abwägungsmängel zu sprechen. Insbesondere habe die Stadt Kappeln verkannt, dass den ehemaligen militärischen Bauten nach Aufgabe des militärischen Zwecks kein Bestandsschutz mehr zukomme, so dass mit Blick auf planbedingte Beeinträchtigungen für die Landschaft von einer erstmaligen Bebauung auszugehen gewesen wäre, was indes nicht geschehen ist. Außerdem rügt das OVG in diesem Zusammenhang, dass in der Abwägung von Voraussetzungen ausgegangen wurde, die aber in keiner Weise – z.B. durch entsprechende Festsetzungen – abgesichert waren.

Klare Worte findet der Senat schließlich in Bezug auf den europäischen Habitatschutz: “Der Senat hält das Ergebnis der gemäß § 34 Abs. 1 BNatSchG durchgeführten Verträglichkeitsprüfung [...] für falsch.” Betroffen war insbesondere das Europäische Vogelschutzgebiet “Schlei”. Insoweit sei absolut lebensfremd, dass die künftigen Feriengäste die durch die natürlichen Verhältnis geradezu gegebene “Einladung” zu diversen Wassersportaktivitäten aufgrund halbherziger Absperrungen, entsprechender Hinweisschilder usw. nicht “annehmen” werden, so dass – entgegen der Annahme der Stadt Kappeln – mit einer erheblichen Störung der sensiblen Vogelwelt gerechnet werden müsse.

Aufsehenerregend ist, dass das OVG sodann noch ein faktisches Vogelschutzgebiet identifiziert: Der ostseeseitige Strand auf der Halbinsel Olpenitz und der dazu gehörige Ostseestreifen seien dem unmittelbar benachbarten Vogelschutzgebiet “Schlei” zuzurechnen, da sie dieselbe Wertigkeit wie jenes Schutzgebiet aufwiesen. Dabei erteilt der Senat – in einem obiter dictum – der Auffassung des BVerwG eine klare Absage, wonach angesichts des zwischenzeitlich erreichten Gebietsmelde- und -ausweisungsstandes die Anforderungen an die Darlegung eines faktischen Vogelschutzgebietes gestiegen seien (siehe nur BVerwG, Urteil v. 12.03.2008 – 9 A 3.06 – A 44 Hessisch Lichtenau II, Rdnr. 52). Nur in absoluten Grenzfällen sei es gerechtfertigt, dass sich ein Gericht hinsichtlich der Kontrolldichte Beschränkungen auferlege. Eine weitere Begründung hierfür wird nicht gegeben; das geltende Prozessrecht gibt eine solche nämlich auch nicht her (ausführlich hierzu Steeck/Lau, NVwZ 2009, 616, 617), weshalb diese Ansicht abzulehnen ist.

Schließlich rügt der Senat in diesem Zusammenhang noch die “Sowieso”-Argumentation der Stadt Kappeln, die sich hinsichtlich der Küstenseeschwalbe darauf zurückgezogen hatte, dass deren Bestände im fraglichen Gebiet ehedem absehbar verschwinden würden. Insoweit sei offensichtlich, dass die zuständige Naturschutzbehörde es bislang versäumt habe, die erforderlichen Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Diesen “Erfolg” könne sich die Stadt nicht einfach “gutschreiben”.

Alles in allem erscheint das Urteil – vorbehaltlich genauerer Kenntnis des zugrunde liegenden Sachverhalts – bis auf das oben genannte obiter dictum nachvollziehbar und gerechtfertigt; eine sehr lesenswerte Entscheidung. Wer des Weiteren wissen will, wie es mit Port Olpenitz zwischenzeitlich weitergegangen ist, kann sich gern hier informieren. Mit Spannung bleibt die nächste Entscheidung in dieser Sache zu erwarten.

Weitere Informationen:

Entscheidungsbesprechung:

  •  Jörg Berkemann, NordÖR 2009, S. 336 ff.

Fundstellen (Leitsätze und Gründe):

  • NuR 2009, S. 498 ff.
  •  ZUR 2009, S. 432 ff.
  • NordÖR 2009, S. 418 ff.

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