Spieth, Wolf Friedrich/ Appel, Markus (NuR 2009, S. 669 ff.)
Genehmigungsprojekte unter dem Damoklesschwert der FFH-Abweichungsprüfung

Unter Auswertung der jüngeren und jüngsten einschlägigen Rechtsprechung und Literatur beschäftigen sich Spieth und Appel detailliert mit der FFH-Abweichungsprüfung. Das ist insoweit am Puls der Zeit, als inzwischen festzustehen scheint, dass Vorhaben mit einmal identifizierter FFH-Relevanz wohl nur sehr selten unterhalb der Erheblichkeitsschwelle des § 34 Abs. 2 BNatSchG bleiben werden, sie allenfalls unter Zuhilfenahme von Vermeidungsmaßnahmen unter diese gedrückt werden können. Um sich gegen die damit verbundenen Pronoseunsicherheiten zu schützen, ist es jedoch häufig ratsam, jedenfalls hilfsweise eine Abweichungsprüfung vorzunehmen. Die Abweichungsprüfung steht damit inzwischen gleichsam im Zentrum des europäischen Habitatschutzrechts.

Nach einer kurzen Darstellung der Anforderungen des Art. 6 Abs. 3 FFH-RL wirdmen sich die Autoren den einzelnen Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 4 FFH-RL. Dabei empfehlen sie, die Abweichungsprüfung mit der Alternativenprüfung zu beginnen. Da aber – wohl unbestritten – für die Alternativenprüfung die mit dem Vorhaben verfolgten Ziele maßgeblich sind, erscheint es zweckmäßiger, zunächst die zwingenden Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses zu prüfen, um überhaupt erst einmal die tragfähigen Ziele zu identifizieren. Erst danach kann sinnvoll – nämlich unter dem Fokus der so ermittelten Zielstellung(en) – nach Alternativen gesucht werden. Im Übrigen sind die Ausführungen aber allesamt sehr gut vertretbar und geben einen guten Überblick über die Materie. Die insoweit doch vergleichsweise bahnbrechende Entscheidung des BVerwG zum Flugplatz Münster/Osnabrück konnte hier leider noch nicht mit berücksichtigt werden.

Große Aufmerksamkeit schenken die Autoren schließlich der Kohärenzsicherung, betonen insoweit – zutreffend – die Maßgeblichkeit der Aufrechterhaltung der Funktionalität des Netzes Natura 2000. Es ist also gerade kein Ausgleich analog der Eingriffsregelung geschuldet, sondern nur die Kompensation derjenigen Auswirkungen, die gerade die Kohärenz von Natura 2000 betreffen. Nicht unkritisch sind die abschließenden Bemerkungen zur nicht zwingend erforderlichen Auslegung der Unterlagen zur Kohärenzsicherung im Rahmen des Zulassungsverfahrens. Dies wird sich so sicherlich nur vertreten lassen, wenn man die Kohärenzsicherung als Rechtsfolge – wofür sich die Autoren denn auch aussprechen – ansieht und nicht als Tatbestandsvoraussetzung begreift.

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