Gerd Schmidt-Eichstaedt (UPR 2010, 401 ff.)
Ausnahme vom gesetzlichen Artenschutz – letzter Ausweg in der Bauleitplanung und bei der Projektgenehmigung?

Der Beitrag widmet sich der Abarbeitung des besonderen Artenschutzrechts in der Bauleitplanung. Näher beleuchtet wird insbesondere das Verhältnis zwischen Planungs- und Genehmigungsebene. Außerdem wird aufgezeigt, dass bereits auf Tatbestandsebene in der Bauleitplanung nicht unerhebliche Spielräume bestehen, so dass eine „Flucht in die Ausnahme“ in den meisten Fällen nicht angezeigt sein wird. In vielen Punkten ist dem Beitrag zuzustimmen, manches erscheint aber auch kritikwürdig.

Zutreffend wird zunächst herausgearbeitet, dass das besondere Artenschutzrecht auf die Bauleitplanung keine direkte Anwendung findet, sondern lediglich über § 1 Abs. 3 S. 1 BauGB Beachtung findet. Daher könne es in der Bauleitplanung nur darum gehen, die grundsätzliche Vollzugsfähigkeit des Plans generalisierend abzuschätzen, so dass regelmäßig eine Potentialabschätzung ausreiche. Insbesondere das Störungsverbot des § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG sei auf das bauaufsichtliche Zulassungsverfahren zu verlagern. Beim Schutz der Fortpflanzungs- und Ruhestätten nach § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG komme es des Weiteren letztlich lediglich auf die funktionale Kontinuität eventuell betroffener Lebensstätten an. Soweit zur Wahrung dessen nach § 44 Abs. 5 S. 3 BNatSchG „vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen“ ergriffen werden können, kritisiert Schmidt-Eichstaedt den hier vom deutschen Gesetzgeber gebrauchten Begriff zu Recht. Anders als dies der Begriff nahe legt, müssten diesen Maßnahmen nicht zwingend bereits vor dem betreffenden Eingriff durchgeführt werden. Der hier von der EU-Kommission verwendete Begriff der funktionserhaltenden Maßnahmen wäre wesentlich treffender gewesen. Im Übrigen seien die Gemeinden nicht gezwungen, solche Maßnahmen bereits auf Bebauungsplanebene vorzusehen; vielmehr könnten diese auch der nachfolgenden Vorhabengenehmigung überlassen werden. Was Schmidt-Eichstaedt jedoch verschweigt, ist, dass eine Verlagerung auf die Vorhabenzulassungsebene nur dann möglich ist, wenn der betreffende Konflikt auch afu dieser Ebene noch gelöst werden kann. Auf der Zulassungsebene ist der Suchraum für funktionserhaltende Maßnahmen jedoch erheblich eingeschränkt, so dass in zahlreichen Fällen hier keine adäquate Lösung mehr gefunden werden kann.

Zuzustimmen ist jedoch dem Appell Schmidt-Eichstaedts nicht die verfrühte Flucht in die Ausnahme anzutreten, sondern mögliche artenschutzrechtliche Konflikte in erster Linie durch Maßnahmen wie eben die funktionserhaltenden Maßnahmen nach § 44 Abs. 5 S. 3 BNatSchG in den Griff zu bekommen. Entgegen mancher Stimmen in der Literatur hält Schmidt-Eichstaedt des Weiteren die Befreiungsmöglichkeit nach § 67 Abs. 2 BNatSchG für europarechtskonform. Die Vorschrift des § 45 Abs. 7 S. 1 Nr. 1 BNatSchG, die die Anwendbarkeit des § 67 Abs. 2 BNatSchG auf die Verbotstatbestände des besonderen Artenschutzrechts letztlich obsolet werden lässt, wird nicht gesehen (hierzu Lau, in: Frenz/Müggenborg, BNatSchG, Berlin 2011, § 67 Rdnr. 8).

Entschieden entgegenzutreten ist zudem auch der weiteren Auffassung von Schmidt-Eichstaedt, dass das Tötungsverbot des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG zum einen nur vorsätzliche Tötungsakte umfasse und zum anderen in Kauf genommene Tötungen, wenn sie vermeidbar sind. Dem steht entgegen, dass der Gesetzgeber im Rahmen der kleinen Novelle zum BNatSchG bewusst auf die Aufnahme subjektiver Tatbestandsmerkmale in die Verbotstatbestände des besonderen Artenschutzrechts verzichtet hat. Was des Weiteren das Kriterium der Unvermeidbarkeit angeht, so hat dem der EuGH bereits explizit eine Absage erteilt (Urt. v. 20.10.2005, Rs. C-6/04 , Rdnr. 113 – Kommission/Vereinigtes Königreich). Sich hierüber einfach hinwegzusetzen, wäre fahrlässig.

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